In diesem Seminar wollen wir die Frage nach der Schrift – was Schrift ist, woher sie kommt, was sie macht und wie sie es macht – auf die Frage nach den Schreibgeräten zuspitzen. »Schreiben«, schreibt Flusser, »kommt vom lateinischen ›scribere‹, das ›ritzen‹ bedeutet. Und das griechische ›graphein‹ bedeutet ›‹graben‹.« Demnach war Schreiben ursprünglich eine Geste, die in einen Gegenstand etwas hineingrub und sich dabei eines keilförmigen Werkzeugs (›stilus‹) bediente.
Mit der Ingebrauchnahme von Feder, Füller und Kugelschreiber verwandelt sich die archaische Geste des Ritzens in eine Geste des Ziehens und Führens des Schreibstifts über eine Beschreiboberfläche. Eine wirklich andere Bestimmung des Schreibens liefert aber erst die Praxis des Setzens vorgefertigter Typen, eben der Tastendruck.
Denn mit dem damit einhergehenden Verlust des Stilos gerät in Gefahr, was an die schreibende Hand gekoppelt war: ein individueller ›Stil‹, ein character, der zugleich Buchstabe und Ausdruck von Individualität ist. »In der Schreibmaschine«, schreibt Heidegger, »sehen alle Menschen gleich aus«. Dennoch (oder gerade deshalb?) ist der Stilo in unserer heutigen, weitgehend mechanisierten oder digitalisierten, vermeintlich ›stil-losen‹ Schreibkultur allgegenwärtig: als Kugelschreiber auf Papier wie als Computerstift auf graphic-pad. Ziel des Seminars ist es, die Inskriptionstechnologien von Stilo und Schreibmaschine anhand einer vergleichenden Diskussion der auf das jeweilige Schreibgerät festgeschriebenen Schrifttheorien auszuschärfen.